Rostocker Museumsschiffe gehen in den Winterschlaf
Hanse ANZEIGER — Wochenblatt für Rostock und Umgebung, 14.-20. Nov. 2007
Text und Foto von Regina Rösler Nr. 46
„Jungs, hier müssen mehr Leute ran.“ Wilfried Lehmann fuchtelt mit den Armen. Ein eisig-harter Wind fegt über die Headgehalbinsel im Rostocker Stadthafen. Die Warnow trägt Schaumkämme, die stämmigen Männer an der Kaikante Pudelmützen. Der Winter scheint nicht mehr weit.Es ist Samstag Vormittag. Im Museumshafen wird gekrant. Soll heißen, die Traditionssegler gehen ins Winterlager. Sie werden vom Wasser über die Kaikante an Land gehievt. Die Galiot, der Gaffellotsenkutter oder der Cornish Crabber. Unter anderem, denn einige der insgesamt 23 Oldtimer, die der Verein Museumshafen Hansestadt Rostock e. V. zählt, bleiben im Wasser. Vor allem Holzschiffe. „Denn Holz braucht Wasser“, sagt „Keule“, Gerd Wenzel, gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Peter Wenzel Eigner der stadtbekannten „CONCORDIA“.
Aber ihr fast 90 Jahre altes Holzschiff geht diesmal an Land und nicht auf eine große Reise, wie 1992 nach New York.
„Los, los, die Leinen nach Achtern. Mehr Gleichgewicht halten. Passt bloß auf die Hände auf.“ Die plötzlichen Windböen machen es nicht leichter. Trotz des Krans, der bis zu 100 Tonnen an den Haken nehmen kann, müssen kräftige Männerhände zupacken. „Bei sechs bis sieben Beaufort geht das Kranen grade noch so,“ sagt Kranführer Thomas Walter von der WarnowKran GmbH. Fingerspitzengefühl bei Schwergewichten. Das Kranen alter Schiffe scheint schwierig. „Weil die Boote so alt sind, sind sie eben kompliziert. Alles Einzelstücke, wie ihre Eigner eben,“ grient Wilfried Lehmann, Geschäftsführer der WarnowKran GmbH. Recht hat er. Gestandene Männer mit grauen Bärten stehen an der Pier. „Die Gurte müssen so sitzen, dass auch von innen ein Spant dagegen steht.“ Lehmann ist vom Fach und deshalb anerkannt in der Rostocker Bootsszene. Denn seine Firma krant fast alle Boote und Yachten entlang der Warnow. „Heute Nachmittag sind wir noch bei den Ruderern.“ Vereinseigene Motorboote müssten dort noch ins Winterlager.
Die Oldtimer des Museumshafen sind gut bei Sache. Bis zu 20 Tonnen bringen sie auf die Waage. Die „Betty“ allerdings, ein Cornish Crabber, gehört mit ihren vier Tonnen da eher zu den Leichtgewichten. 7,32 Meter lang und 2,44 Meter breit. Die Replik eines Krabbenkutters aus Südwestengland gehört Holger Karl. Der Rostocker Schiffbauingenieur ist froh, dass sein Schiff unversehrt an Land steht. „Bei dem Wind war das ein wildes Ding.“ Festgezurrt steht „Betty“ in der vorbereiteten Holzpallung. „Die Seepocken müssen noch ab, dann die Plane rüber und alles ist okay.“ Der Segelsaison ist nun endgültig vorbei. „In diesem Jahr waren unsere Törns nicht weit. Ein bisschen Dänemark, Warnemünde, Hanse Sail, ansonsten hier im Hafen,“ sagt Holger Karl. Der Beruf habe ihm in diesem Sommer nicht viel Zeit gelassen. Holger Karl wirkt ein bisschen wehmütig. „Eigentlich muss ein Schiff schwimmen.“ Der Winter ist sehr lang.
53 Mitglieder zählt der Verein Museumshafen Hansestadt Rostock e. V., gegründet 1992. Seitdem ist Hans-Peter Wenzel Vorsitzender. „Unser Ansinnen ist, traditionelle und historische Wasserfahrzeuge zu bewahren, sie in Fahrt zu halten, aber auch die Seemannschaft und das maritime Brauchtum zu pflegen,“ erklärt der 60-Jährige. „Wir wollen, dass die Schiffe im Rostocker Museumshafen ihre Originalität behalten.“ Und deshalb könne auch nicht jeder Aufnahmeantrag von Schiffseignern bewilligt werden. 169 Meter Länge misst die Pier an der Haedgehalbinsel. Ein Vereinshaus, gemütlich-maritim eingerichtet, gehört dazu. Seit einiger Zeit pflegen die Vereinsmitglieder mit der Rostocker Shantygruppe „Breitling“ eine Art Patenschaft. „Das passt zu unserem Verein.“ Jüngst gab es auch aus dem Stiftungsfonds der OstseeeSparkasse 3000 Euro Zuschuss für den Museumsschiffsverein.
Nach dem Kranen geht es ab in den Winterschlaf. Oder? „Na, ja, nicht ganz, aber eigentlich passiert im Winter nicht viel“, sagt Hans-Peter Wenzel. Das Eisbeinessen im Februar sei bei den Vereinsmitgliedern immer sehr beliebt. „Das wird es auch 2008 geben“, sagt Wenzel. Und flugs rieche es schließlich nach Frühling. „Wenn die neuen Unterwasserfarben aufgetragen sind, ist das erste Maiwochenende nicht weit.“ Dann nämlich ist Ansegeln.